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Julia Tiemann: Vielleicht reden wir eines Tages darüber

Im Rahmen ihrer Serie Vielleicht reden wir eines Tages darüber begleitet die Fotografin ihre Schwägerin Paulina bei einer Reise im Oktober und November 2023 auf den Spuren ihrer Familiengeschichte. Eine Reise zu schönen Geschichten – aber auch zu eben jenen Geschichten, die bisher lieber im Verborgenen blieben. Die Bilder zeigen Orte, berührende Erinnerungen und Traumata, die von Era zu Era weitergetragen wurden. Diese sogenannten transgenerationalen Traumata belasten die Protagonistin, obwohl sie gar nicht ihre eigenen sind – sondern die ihrer Vorfahren. Diese Serie ist eine Einladung an die Betrachtenden zu hinterfragen, wo sie für sich das Gespräch suchen und so das Schweigen brechen können.

Hier berichtet die Fotografin über die Hintergründe zur Geschichte und ihre Arbeitsweise zur Serie Vielleicht reden wir eines Tages darüber.

Wie ist es zur Serie Vielleicht reden wir eines Tages darüber gekommen?

Ich habe mich schon immer mit meiner Schwägerin Paulina, der Protagonistin der Serie, zu Themen wie mentaler Gesundheit ausgetauscht. Irgendwann habe ich einen Artikel zum Thema Traumavererbung (transgenerationale Traumata) gelesen und ihr davon erzählt. Sie hatte kurz zuvor eine Familienaufstellung gemacht, wobei sich ihre Vermutung, dass sie etwas von ihren Vorfahren in sich trägt, bestätigte.

Bitte erklären Sie, warum Ihnen das Thema wichtig ist.

Viele Menschen wissen gar nicht, dass es überhaupt so etwas wie vererbte Traumata gibt, und generell sind Themen rund um die mentale Gesundheit noch immer weitestgehend tabuisiert. Ich arbeite selbst kontinuierlich an mir und weiß daher um den Wert, der dahinter steckt.

Worum genau geht es in Ihrer Serie?

Es geht darum, dass sich die Protagonistin mit der damaligen Flucht ihres Großvaters beschäftigt und mit den Folgen, die diese Flucht nach sich gezogen hat. Er ist nach dem spanischen Bürgerkrieg von Galicien nach Veracruz in Mexiko geflohen, aber nie richtig dort angekommen. Er hat seinen Kummer und seine Sorgen zum größten Teil heruntergeschluckt. Durch das Schweigen konnten die Themen der Familie nicht verarbeitet werden, was dazu geführt hat, dass sie über Generationen weitergegeben wurden.

Ihre Schwägerin spielt eine zentrale Rolle in der Serie. Wie würden Sie sie mit Worten porträtieren?

Paulina ist eine sehr reflektierte, intelligente und mutige Frau. Jede Particular person, die sich bereits einmal mit der eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt hat, weiß, wie viel Kraft dies kostet – ganz egal, wie groß das eigene Päckchen ist. Ich hätte zu dem Thema genauso intestine an meiner eigenen Familiengeschichte arbeiten können, aber ich habe mich schlichtweg nicht getraut und hatte Angst vor dem, was mir wahrscheinlich begegnet wäre. Daher struggle ihre Bereitschaft, sich mir gegenüber so zu öffnen, von unschätzbarem Wert.

Was hat Sie besonders herausgefordert, worauf haben Sie Wert gelegt?

Es struggle sehr herausfordernd, solch ein emotional aufgeladenes Thema innerhalb einer so kurzen Zeit zu bearbeiten. Das Thema lebt vom gegenseitigen Vertrauen der Protagonistin und mir. Dazu kommt, dass ich mir einige Motive zuvor überlegt habe, aber ich natürlich im Vorfeld nicht die Garantie hatte, diese auch wirklich so umsetzen zu können.

Wie haben Sie die Bildsprache für das Projekt entwickelt?

Mir struggle es wichtig, eine ruhige und sanfte Bildsprache zu wählen, um die Tiefe des Themas zu unterstützen. Ich habe natürliches Licht verwendet, um mit den unterschiedlichen Stimmungen zu arbeiten, die mir auf der Reise begegnet sind, und nicht durch einen künstlichen Lichtaufbau in das Geschehen einzugreifen. Genauso verhält es sich mit dem Kontrast von Dunkel zu Hell. Ich habe mich gegen Schwarzweiß entschieden, um die unterschiedlichen Farben in die Dramaturgie der Geschichte einfließen zu lassen. So lässt sich bei der Hängung meiner Bilder ein Farbverlauf von Dunkelgrün über Beige zu einem warmen Orange erkennen.

In der Serie gibt es Metaphern, die man beispielhaft herausgreifen könnte. Wie haben Sie die gefunden?

Viele der Metaphern und Bilder sind aus dem Gesicht und den Erzählungen der Protagonistin entstanden. Zum Beispiel hat sie mir erzählt, dass es sich in ihrer Familie oft so angefühlt hat wie ein Spiel, das sie früher mit ihren Cousins und Cousinen gespielt hat. Bei uns kennen wir es als Stille Publish, auf mexikanisch teléfono roto (kaputtes Telefon). In ihrem Elternhaus bin ich dann auf das alte Telefon gestoßen.

Da sind auch ein paar Fische.

Die Fische habe ich in Veracruz entdeckt, einer wichtigen Hafenstadt am Golf von Mexiko. Die Esskultur dort ist extrem durch Fisch geprägt. Auch die Herkunftsregion Galicien – von dort stammt Paulinas Großvater Francisco – besteht aus vielen kleinen Fischerdörfern. Für mich bekommt das Motiv jedoch erst seine Wirkung, wenn es neben dem Foto ihres Mundes betrachtet wird. Da die Geschichte das Schweigen über die Vergangenheit bzw. die Veränderung thematisiert, wenn über Tabuthemen gesprochen wird, gehören diese Fotos für mich zusammen.

Was hat es mit den orangefarbenen Blumen auf sich?

Die orangefarbenen Cempasúchil-Blumen sind typisch für die mexikanische Kultur und werden vor allem zum Día de los Muertos aufgestellt, dem Tag zu Ehren der Toten. Für mich haben sie etwas sehr friedliches und hoffnungsvolles, weshalb ich diese Wärme der Farbe in meiner Serie haben wollte. Darüber hinaus struggle die Protagonistin zur Zeit der Entstehung in der Blütezeit ihrer Schwangerschaft, wodurch das Motiv für mich auf der Hand lag.

Was würden Sie gern mit Ihrer Serie erreichen?

Wenn sich einige Personen meine Arbeit anschauen und danach den Mut fassen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, macht es einen Unterschied, und diese Menschen können wiederum einen Unterschied in ihrem Umfeld machen.

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Julia Jules Tiemann

Geboren 1992 in Minden. Sie studierte zunächst von 2012 bis 2014 Advertising und arbeitete als Fotografin und Social-Media-Managerin, bevor sie 2021 ihr Fotografiestudium an der College of Europe for Utilized Sciences (UE), Hamburg, aufnahm und im Januar 2024 mit einem Grasp abschloss. Vielleicht reden wir eines Tages darüber (betreut von Dr. Nina Röder) ist ihre Abschlussarbeit. Ihre Bilder sind ihm Rahmen der Abschlussausstellung an der UE noch bis Ende April 2024 zu sehen.

 

Tools: Leica M11, Summarit-M 1:2.4/75

Web site: juliacreations.de

Instagram: @jules.tiemann

 




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