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Der Leica Oskar Barnack Award: die Shortlist 2023, 2. Teil

Der renommierte Fotowettbewerb geht in diesem Jahr bereits in seine 43. Runde. Es wird auch in diesmal wieder spannend, wer am 12. Oktober bei der feierlichen Preisverleihung in Wetzlar im Rahmen eines großen Fests der Fotografie ausgezeichnet wird. Seit mehr als vier Jahrzehnten steht der LOBA für eindrucksvolle Fotografie, die – wie es in der Präambel des LOBA formuliert ist – insbesondere „die Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt“ zum Ausdruck bringt. Auch in diesem Jahr sind die nominierten Serien ausdrucksstarke und emotional ergreifende Spiegelbilder der heutigen Welt.

In dieser zweiten Folge stellen wir die weiteren sechs Serien der LOBA-Shortlist 2023 vor:

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Johanna-Maria Fritz: A Grave within the Backyard

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann am 24. Februar 2022. Bereits zwei Tage danach startete die deutsche Fotografin in den umkämpften Gebieten mit ihrer dokumentarischen Arbeit. Sie hält Ereignisse und Auswirkungen eines Konflikts fest, der ebenso sinnlos ist, wie er traurig macht. Ihre bedrückende Reportage gibt direkte Einblicke in den Alltag der Menschen, die jeden Tag um ihr Überleben kämpfen. „Durch meine Arbeit habe ich gelernt, dass die Realität des Krieges oft anders ist, als man es sich vorstellt“, so die Fotografin. „Ich habe auch gelernt, dass das Zuhören und Fragen von entscheidender Bedeutung ist, um die Wahrheit herauszufinden und die Geschichten der Menschen zu verstehen.“ Die Fotografin wurde 1994 geboren und ist Mitglied der Agentur Ostkreuz.

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Ziyi Le: New Comer

Der chinesische Fotograf startete sein Projekt über Weibo, ein Twitter-ähnliches Portal für Kurznachrichten in China, über das er Interessierte für die smart Porträtserie fand. „Während meines gesamten Heranwachsens verbrachte ich wenig Zeit mit meinen Eltern, kommunizierte wenig, battle lange Zeit entfremdet, was mir das Gefühl gab, mitten im Nirgendwo zu sein“, berichtet der Fotograf. Existenzängste, Zukunftsfragen und Identitätssuche beschäftigen eine ganze Era junger Chinesen. Der 1993 in Fujian geborene Le hat durch die Fotografie seinen Weg gefunden, diese Fragen nach außen zu tragen und sie sichtbar zu machen, vielleicht sogar einen Dialog darüber zu starten. Entstanden ist ein berührendes Porträt der „New Comer“, einer Era auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft, nach persönlicher Weiterentwicklung.

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Edu León: Unearth the Reminiscence

Nicht vergessen: So lautet die Botschaft des spanischen Fotografen, der 1977 in Madrid geboren wurde und seit über zehn Jahren in Lateinamerika lebt. Für seine Serie fotografierte er in den von bewaffneten Konflikten in Kolumbien am stärksten betroffenen Gebieten Buenaventura, Cacarica, La Ciénaga und El Salado und stellte betroffene Frauen in den Mittelpunkt: „Es battle ein Prozess, während dessen ich Zeit mit ihnen verbrachte, mit ihnen sprach, mir Fotos aus der Vergangenheit ansah und sie mir von ihren offenen seelischen Wunden erzählten, die sie durch die Vertreibung und die Massaker an Verwandten und Nachbarn erlitten hatten“, berichtet León. Mit seinen Protagonistinnen entwickelte er Motive als eine Artwork Erinnerungsarbeit. Es sind Bilder des Schmerzes, aber auch der Hoffnung für eine friedlichere Zukunft in dem von Gewalt geprägten Land.

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Rania Matar: Fifty Years Later

Noch immer leidet der Libanon unter den Folgen des Bürgerkriegs, der vor 50 Jahren begann. Nach brutalen Auseinandersetzungen, korrupten Regierungen und monatelanger Abriegelung während der Covid-Pandemie stürzten 2020 die Explosionen im Hafen von Beirut das Land noch tiefer in den Abgrund. In ihrer Serie widmet sich die im Libanon geborene amerikanische Fotografin den Frauen: Aufnahmen ihrer Präsenz, Kreativität, Stärke, Würde und Widerstandsfähigkeit stehen stellvertretend für die Hoffnungen, Träume und Ängste einer ganzen Era. Für die 1964 geborene Fotografin ist es ein sehr persönliches Projekt: „Ich sehe in den Frauen mein jüngeres Ich, fühle ihre Hoffnungen, Schmerzen, Träume und Ängste. Ich battle in ihrem Alter, als ich den Libanon 1984 während des Bürgerkriegs verließ.“

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Seamus Murphy: Kingdom

Seit mehr als 35 Jahren lebt der irische Fotograf in Großbritannien. Er schätzt die britische Höflichkeit gepaart mit anarchischer Exzentrik. Seit die Briten 2016 durch ein Referendum entschieden haben, aus der Europäischen Union auszutreten, dokumentiert er die von ihm durch den Brexit wahrgenommenen Veränderungen. Der 1959 geborene Fotograf sucht nicht immer nur die großen Veranstaltungen, die eine plakative Ausbeute versprechen: „Das Bemerkenswerte ist, dass man auf einem banalen Occasion interessante Fotos machen kann und von einer interessanten Veranstaltung mit langweiligen Fotos nach Hause kommt“, konstatiert er. So entstand seit 2016 eine Serie voller bitterböser Ironie, Empathie und Kritik an den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen.

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Jordi Ruiz Cirera: On This Facet There Are Goals, Too

Ausgangspunkt für die Serie battle das Alltagsleben der Menschen an der nördlichen Grenze Mexikos, einer Area, die sich über 3000 Kilometer von Tijuana am Pazifik bis zum Golf von Mexiko erstreckt. Zumeist taucht die Grenzregion in den Schlagzeilen der Medien auf, wenn über Gewalt und Migrationskonflikte berichtet wird. Der 1984 in Barcelona geborene Fotograf und Filmemacher richtet in seiner stillen Serie den Fokus hingegen auf die Hoffnungen und Träume, die Alltagsgeschichten und die besondere Landschaft. Zu sehen sind überwiegend vereinzelte Personen, denn „das Motiv der Einsamkeit ist sehr präsent“, sagt der Fotograf. „Ich wollte, dass man auf ihnen die unsichtbare Spannung sieht, die ich oft spürte, genauso wie die Distanz, die Trennung und Isolation, die ich in der Gegend wahrgenommen habe.“

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Die kompletten Serien mit weiteren Informationen sind auf der LOBA-Web site zu finden.

Bis zur feierlichen Preisverleihung am 12. Oktober in Wetzlar werden alle Shortlist-Serien auf der Seite vorgestellt. Mit der LOBA-Verleihung eröffnet auch in diesem Jahr eine große Ausstellung im Ernst Leitz Museum, die von einem umfangreichen Katalog begleitet wird.


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